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Growth Hacking: Was steckt hinter der neuen Marketingdisziplin?

Ein Begriff, der die Ziele „mehr Wachstum“, „mehr Aufmerksamkeit,“ mehr Kunden“ und „mehr Verkäufe“ zusammenfasst? Growth Hacking – nicht bloß eines der vielen neuen Buzzwords in der rasant wachsenden digitalen Welt, sondern auch ein Wegbereiter für den anstehenden Richtungswechsel innerhalb der digitalen Transformation. Wer dachte, diese sei längst abgeschlossen, der liegt falsch. Lernen Sie die neue Form des wachstumsorientierten Marketings kennen und erfahren Sie, warum die zukünftigen Entwicklungen Unternehmen und Agenturen zum Umdenken zwingt.

Growth Hacking – die Entstehung

Sie haben sich gerade an die Etablierung des Begriffes „Content Marketing“ gewöhnt? Dann halten Sie sich fest, denn es betritt schon wieder ein neuer Protagonist die digitale Marketingbühne: Der Growth Hacker. Die meisten bringen das neue Buzzword „Growth Hacking“ mit Wachstum in Verbindung. Dabei ist Wachstum doch gar keine neue Erfindung? Richtig. Beim Growth Hacking geht es nämlich ausschließlich NUR um Wachstum. IM Gegensatz zum klassischen Marketing spielen die Imageverbesserung oder die Steigerung des Bekanntheitsgrades keine Rolle. Das Growth Hacking fokussiert sich auf das Produkt selbst und integriert darin Techniken und Strategien, die aus sich heraus die Kundengewinnung steigern. Manchmal sind es bloß winzige Veränderungen und technische Kniffe, die zu einem enormen Wachstum führen. Growth Hacking ist innerhalb der Start-up-Branche groß geworden. Hier wurde aus der Not (Kapitalmangel) eine Tugend gemacht, da es sich beim Growth Hacking grundsätzlich um eine äußerst kostengünstige Wachstumsmaßnahme handelt. Geprägt wurde der Begriff im Jahre 2010 erstmals von Sean Ellis, Gründer und CEO von Qualaroo, der zuvor u.a. bei Wordpress, Eventbrite und Dropbox durchstartete. Nachdem er dort erfolgreich Prozesse etabliert hatte, suchte er nach Menschen mit entsprechenden Qualifikationen, die seine Position einnehmen konnten, fand aber niemanden. Warum? Er hatte sich selbst einen Aufgabenbereich geschaffen, die viele Disziplinen miteinander verband, aber im klassischen Marketing von mehreren Personen in unterschiedlichen Positionen ausgeübt werden: Produkt Manager, Projektmanager, Customer Experience Manager, SEO, SEM, Social Media Manager, Product Marketing Manager, Developer, Data Analyst, Entrepreneur, Performance Marketing Manager, UX Designer uvm. Interdisziplinarität und Vielfältigkeit sind hier die passenden Stichwörter. Während seiner Suche nach geeigneten Bewerbern verfasste Sean Ellis den Blog Post “Find a Growth Hacker for Your Startup” und schaffte damit eine neue Berufskategorie in der Branche.

Virality isn't something you do to a product, it is something a product is.

Seth Godin, US-amerikanischer Autor und Unternehmer

Was ein (junges) Produkt braucht? Wachstum! Und genau dafür ist ein Growth Hacker zuständig: Er entwickelt, strukturiert und kontrolliert produktbezogene und kreative Wachstumsstrategien, die im besten Fall wieder zu neuen Wachstumsstrategien führen. Strategien und Taktiken, die man in keiner klassischen Marketing-Vorlesung an der Uni lernt und die nur gut sind, wenn dabei alle anderen Ziele eine untergeordnete Rolle spielen. Es wird also deutlich, dass der Growth Hacker kein gewöhnlicher Hacker ist. Mit „Hacking” ist in diesem Fall viel mehr das „über den Tellerrand schauen“ gemeint. Die digitale Transformation fordert kreative Strategien, die ein Growth Hacker bedienen kann. Mit „Growth” soll zusätzlich schnelles Wachstum erreicht werden.

Steckbrief eines Growth Hackers
Steckbrief eines Growth Hackers

Growth Hacking in der Praxis

Nicht die Fähigkeiten und Techniken sind neu dabei, sondern deren Einsatz in der Praxis. Natürlich gibt es für Growth Hacks keine Patentlösung. Growth Hacker können ihre Taktiken nicht einfach auch in anderen Start-ups oder Unternehmen anwenden. Die Hacks werden optimal auf die Zielgruppe und deren Bedürfnisse zugeschnitten sowie auf das Produkt und dessen Möglichkeiten. Erfolgreiches Growth Hacking erfordert also immer kreative und maßgeschneiderte Ideen außerhalb der täglichen Branchen-Routine. Diese sind – anders als bei gängigen Marketingmethoden – untrennbar mit dem Produkt verbunden. Die Beispiele aus der Praxis machen deutlich, dass Growth Hacker mit ungewöhnlicher Risikobereitschaft ihre Strategien durchplanen, um das Wachstum des Produkts zu steigern. Ein gutes Beispiel liefert der E-Mail-Anbieter Hotmail mit der wohl erfolgreichsten Signatur der Welt. Hotmail entwickelte 1998 kurz nach der Gründung einen „Wow-Effekt“ für seine Marke und erzielte ohne jegliche Kosten eine enorme Reichweite. Wie? An jede Mail, die über Hotmail versendet wurde, hingen die Growth Hacker von Hotmail folgende Signatur an:   PS.: I love You. Get your free E-Mail at Hotmail!

Kleine Tricks, große Wirkung

Dieser simple Growth Hack sorgte in kurzer Zeit für 12 Millionen neue Accounts bei Hotmail sowie die Übernahme durch Microsoft für 400 Millionen Dollar. Und das ohne Werbeanzeigen, Plakate oder TV-Spots. Ebenfalls erwähnenswert ist der Trick von Pinterest bei einer Neuanmeldung: Mit der Profilerstellung folgt man automatisch von Pinterest ausgesuchten „Top-Usern“. Mit der Strategie, auf bereits bestehende Netzwerke aufzubauen, finden User den optimalen Einstieg, um auf der Foto-Plattform aktiv zu werden. Der persönliche Feed ist dadurch automatisch schon mit einigen zielgruppengerechten Inhalten gefüllt. Bei Dropbox dreht sich der Growth Hack ums Empfehlungsmarketing. Mit der Weiterempfehlung von Dropbox an Freunde oder Bekannte erhielten die User kostenlos zusätzliche 500 Megabyte Speicherplatz in der Cloud. Dropbox kam dadurch innerhalb von 15 Monaten von 100.000 auf vier Millionen User – einen 15- bis 20-prozentigen Anstieg seit Gründungsbeginn! In allen Praxisbeispielen wurde durch das Growth Hacking in kurzer Zeit eine starke Bekanntheit erzielt und die Reichweite erhöht erhöht, was schließlich zu einem enormen Abverkauf führte.

Die Disziplinen der Marketing-Branche im Wandel
Die Disziplinen der Marketing-Branche im Wandel

Grenzen verschwimmen

Der Growth Hacker als „eierlegende Wollmilchsau“ steht dabei nicht bloß für eine neue Position innerhalb der Marketing-Branche. Er markiert auch den aktuellen Wandel im Internetzeitalter. Damit ist nicht gemeint, dass Marketingleiter in Zukunft programmieren müssen, sondern dass sich die verschiedenen Disziplinen miteinander vernetzen und durch ihre Wechselwirkung voneinander profitieren. Disziplinen streng voneinander zu trennen, funktioniert nicht mehr, genauso wie sich auch das Analoge und das Digitale immer stärker miteinander verbinden. Mehr als jeder zweite europäische Entscheider aus der Marketingbranche meint, dass sich das Marketing im vergangenen Jahr stärker verändert hat, als in den gesamten fünf Jahren zuvor. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick in Richtung Industrie 4.0, ein Schritt, den jedes Unternehmen bald gehen sollte. Digitale Transformation bedeutet auch eine Welt, in der Produkt, Dienstleistung und Kommunikation untrennbar nebeneinander und miteinander funktionieren. Unternehmen müssen daher nicht nur ihre Flexibilität beweisen, sondern sind so stark wie nie zuvor auf Experten angewiesen, die sie von der Analyse, über die Kreation und Entwicklung bis zum Online-Marketing beraten und diese einzelnen Teildisziplinen miteinander verbinden. Es gilt, starre Strukturen, eingefahrene Prozesse und alte Insellösungen aufzubrechen. Gerade die Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb steigt im digitalen Zeitalter weiter an und fordert fließende Verbindungen.

Die Herausforderung des digitalen Wandels als Chance nutzen, ist in Deutschland das aktuelle Gebot der Stunde.

Marcus Tandler, Digital Professional und Suchmaschinenexperte

Netzwerke, Beziehungen und Kooperationen Grenzen verschwimmen aber auch auf Agenturseite immer stärker.

Netzwerke, Beziehungen und Kooperationen mit Start-ups, Software-Anbietern und anderen Agenturen werden zum wichtigen Treiber und fordern neue Ausrichtungen. Warum? Agenturen werden im Zuge des digitalen Wandels und seinen Anforderungen immer weniger in der Lage sein, Aufträge komplett eigenständig umzusetzen und sind auf die Expertise von anderen angewiesen. Solche Spezialisten können unter anderem auch Growth Hacker sein.

Das Dach aller Teildisziplinen

Das unverrückbare Dach aller Disziplinen in der Marketing-Branche bildet die Kommunikation. Sie steht ebenfalls in enger Wechselwirkung zu jedem Bereich und jeder Disziplin und darf daher nicht mehr als einzelne Leistung betrachtet werden. Was bringen dem Unternehmen steigender Traffic auf der eigenen Website und eine attraktiv gestaltete Landingpage, wenn die Kommunikation des Produkts weder zielgruppenorientiert, noch kanalübergreifend funktioniert? Nichts. Der künftige USP von Digitalagenturen steht damit schon fest: Eine kommunikative Dimension, die alle Teildisziplinen, Partner und entstehenden Kooperationen miteinander verbindet und für den Kunden die richtigen Inhalte zur richtigen Zeit am richtigen Ort zielgruppengerecht kommuniziert.